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Fortbildung des Arbeitskreises bei „trott ! war“
Alternative Stadtführung zu den Brennpunkte der Stadt –
Im Fokus: Obdachlosigkeit

Am 29. September hat der Arbeitskreis Landesgeschichte/Landeskunde eine alternative Stadtführung mit dem Titel Brennpunkte der Stadt – im Fokus: Obdachlosigkeit anbieten können. 18 Kolleginnen und Kollegen aus Gymnasien, Real-, Haupt- und Sonderschulen trafen sich daher auf dem Marienplatz, um Thomas Schuler, ihren „alternativen Stadtführer“ zu treffen, mit dem sie dann zweieinhalb Stunden durch die Innenstadt zogen. Dabei „haben wir unsere Stadt nochmal ganz neu und auf eine sehr ungewöhnliche Art kennen gelernt“, unterstrich eine Lehrerin im Anschluss an das Programm.
Das lag nicht zuletzt an dem außergewöhnlichen Stadtführer dieses Nachmittags. Thomas Schuler, selbst für einige Jahre obdachlos und Alkoholiker, schaffte es, die Kollegen auf eine ganz eigene informative und unterhaltsame Art für seine Inhalte zu interessieren. Da er die Haltepunkte der Stadtführung immer wieder mit seiner eigenen Geschichte und weiteren Lebensbildern in Verbindung brachte, gewannen Themen wie Hartz IV, Armut, Kampf ums Überleben auf der Straße oder Alkoholsucht eine neue Dimension und eine ganz persönliche Anbindung.
Der sechsundvierzigjährige, der seit einigen Jahren verheiratet ist, erzählte mehrfach, dass er froh sei, endlich wieder für seinen Lebensunterhalt selbst aufkommen zu können und Steuern zahlen zu dürfen. „Ich stehe wieder auf eigenen Füßen und darauf bin ich stolz!“
Schuler ist nämlich seit einigen Jahren fester Verkäufer der Straßenzeitung „trott ! war“. Damit hat er ein Auskommen, das ihm zusammen mit seinem zweiten Job, den alternativen Stadtführungen, ein regelmäßiges Einkommen beschert. „Ich habe mit meiner Frau zusammen eine Wohnung und wir bezahlen unsere Miete selbst. Das ist etwas sehr schönes!“
Nicht nur bei Thomas Schuler und seiner Frau heißt es, der alte „trott ! war“. Durch die Mitarbeit bei „trott ! war“ sei, so der Stadtführer bei der Erklärung des Zeitungsnamens, ein anderer Lebenswandel bei vielen eingekehrt. Auch sein Leben und das seiner Frau habe sich komplett verändert. Der alte Trott war gestern! Heute steht dagegen Arbeit und das meint auch morgens aufstehen, mit anderen Menschen zusammenkommen und Verpflichtungen übernehmen. Die Zeit, in der er nur von hochprozentigem Alkohol gelebt und den Tag mit Nichtstun herum gebracht habe, sei endgültig vorbei. Jetzt hätten er und alle seine Kollegen bei „Trott ! war“ eine Aufgabe und die Chance auf eigenen Füßen zu stehen.
Im Rahmen der Stadtführung brachte Schuler die Teilnehmer dann zu Häusern und Plätzen, die man normalerweise nicht kennt oder nicht als besondere Objekte wahrnimmt. So sprach er über das Männerwohnheim der Stiftung Nestwerk oder den „Schlupfwinkel“, die Anlaufstelle für Straßenkinder, die in Stuttgart stranden oder von der Polizei aufgegriffen werden. Das Haus, in dem Heroinabhängige Methadon erhalten, wenn sie an dem Substituierungsprogramm teilnehmen, war genauso ein Haltepunkt des Rundgangs, wie ein Frauenhaus oder die städtischen Anlaufstellen, bei denen Obdachlose Schlafsäcke und andere Hilfen erhalten können. Auch die „Franziskastube“, ein Cafe für Obdachlose, in dem eine Franziskanerin, Schwester Margret, seit vielen Jahren morgens Kaffee und Essen an Bedürftige austeilt, lag auf der Route. Hier können die Obdachlosen auch mit einem Arzt über ihre Krankheiten und Verletzungen sprechen und sich behandeln lassen.
Den längsten Aufenthalt während des Rundgangs, hatte die Gruppe in den Redaktionsräumen von „trott ! war“. Hier erfuhren die Kollegen, dass die Obdachlosen regelmäßig für eigene Theateraufführungen proben oder einmal im Jahr auch eine ganze „trott ! war“ Ausgabe selber schreiben. Schuler betonte dabei immer wieder, dass die „trott ! war“ - Mitarbeiter auch eine Art Familie für viele Verkäufer seien. „Hier kommt man her, kennt sich und hilft sich gegenseitig, erzählt, was man erlebt hat und kann auch mal Dampf ablassen.“ Die Käufer der Zeitung lobte Schuler sehr. Viele kaufen ganz regelmäßig, sind also Stammkunden und manche warten sogar schon auf die neue Ausgabe, wenn der Verkäufer mal nicht ganz pünktlich ist. „Das ist für uns sehr wichtig. Ohne die Käufer hätten wir keine Aufgabe und  keinen Verdienst.“
Einige Fakten und Hintergründe:
In Deutschland gibt es zwischen 250 000 und 300 000 registrierte Obdachlose. Die Dunkelziffer derjenigen, die keine eigene Wohnung haben, liegt aber sicher erheblich höher und wird von Verbänden auf bis zu ca. 500 000 Menschen geschätzt, manche legen noch deutlich höhere Zahlen zugrunde.
Die Straßenzeitung trott ! war erscheint in einer Auflage von 28 000. Erscheinungsbereich ist ganz Südwestdeutschland. Das einzelne Exemplar kostet 1,70 €. Die Verkäufer sind entweder freie oder fest angestellte Mitarbeiter. Die Position ergibt sich aus den monatlich verkauften Heften. Fest angestellte Verkäufer, die mehr als 1000 Exemplare monatlich verkaufen, können pro Heft 1,20 € verdienen. Alle fest angestellten Mitarbeiter nehmen auch am Wohnungsprojekt des „trott ! war“ Vereins teil und können dadurch eine eigene Wohnung beziehen.

H. Viereck
 

Thomas Schuler

Thomas Schuler

Nestwerk

Männerwohnheim der
Stiftung Nestwerk

Redaktionsgebäude

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“trott ! war”

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